Was ist natürliche Versammlung?

Für viele bedeutet Versammlung ein physischer Zustand oder athletischer Bewegungsablauf in einer bestimmten Haltung oder einem Rahmen. Die Bedeutung für mich beinhaltet viel mehr und ich sehe es als eine mentale, emotionale und physisch positive Konzentration und ein “sich-Aufeinander-Einlassen”, das zu einem harmonischen Gleichgewicht führt:

Freestyle mit Wolke

Freestyle mit Wolke

Rapport – Versammlung des Herzens

Respekt – Versammlung des Geistes

Impulsion – Versammlung der Emotionen

Flexion – Versammlung des Körpers

Diese Definition habe ich vor vielen Jahren von Pat Parelli gelernt und sie berührt mich noch heute. Wenn du diese “Parelli Trainingsformel” gekonnt anwendest, wirst du einer natürlichen Versammlung jeden Tag einen Schritt näher kommen. Es geht um mehr als eine äußere Form!

Rapport

Rapport bringt die “Versammlung des Herzens” zum Ausdruck. Mit einen positiven Rapport können wir echte Verbundenheit mit einem Pferd aufbauen. Es beinhaltet für mich Beziehungspflege ohne anthropomorphisch zu sein, Kenntnis von und Verständnis für die Bedürfnisse der Pferde zu haben, Empathie und die Einstellung, dass Pferde perfekt sind und WIR in der Rolle der Lernenden sind. Wenn es Reibereien in eurem Zusammensein gibt, hat es vermutlich auch mit eurem Rapport zu tun!

Kennst Du die 4 Geheimnisse, das Herz deines Pferdes zu gewinnen?

  • Gehst du auf die vier psychologischen Hauptbedürfnisse deines Pferdes ein?
  • Wie gut verstehst du seine Horsenality? (Pferdepersönlichkeit)
  • Zeigst du deinem Pferd auf eine verständliche Weise, wie viel es dir bedeutet, bevor du ihm zeigst, was du weißt?
  • Hast du dein Ego unter Kontrolle?

Hier einige simple Tests:

  • Kommt dein Pferd zu dir – im Stall, im Paddock, auf der Koppel? Oder musst du es holen?
  • “Klebt” dein Pferd an den anderen Pferden?
  • Ist es herausfordernd, dein Pferd zu trainieren?
  • Wenn du das Seil oder die Longe loslassen würdest, wäre dein Pferd dann weg?

Respekt

Respekt ist mentale Versammlung. Es involviert keine Angst, sondern es bedeutet, dass dein Pferd dich versteht und eine angemessene Antwort auf deine Frage geben kann. Es hat für mich mit gegenseitiger Achtung, Wertschätzung und positiver Autorität zu tun. Oft wird es jedoch mit Begriffen wie Kontrolle oder Dominanz und Unterwerfung verwendet. Vor allem, wenn Menschen sich über Pferde ärgern, nennen sie deren Verhalten “respektlos” und behandeln sie dann oft unangemessen. Dies kostet Respekt und als Ergebnis natürlich auch Rapport… Du kannst den wahren Respekt eines Pferdes verdienen, indem du ein guter, natürlicher Leader bist – freundlich, fair und klar.

Wie erhältst du nun eine angemessene Antwort auf deine Fragen an das Pferd?

Hier könntest du einen Schlüssel finden:

  • Wie stellst du eine Frage oder baust Du “Druck” auf? (die meisten machen es zu schnell!)
  • Wann lässt du den Druck nach, d.h. wie gut ist denn Timing?
  • Wie viel Druck ist der Situation angemessen? Zu viel ist unfair, zu wenig vielleicht nicht effektiv
  • Wie ist deine Einstellung dabei?

Hier einige kleine Tests:

  • Wenn du stehst oder anhältst, bedrängt dein Pferd dann deine persönliche Zone?
  • Kannst du dein Pferd mit Leichtigkeit am Seil in den Trab führen?
  • Kannst du es mit Leichtigkeit und Fingerspitzen mindestens zehn Schritte rückwärts bewegen?
  • Kannst du es ohne Zügel verlangsamen oder anhalten sowie ohne Sporen oder Gerte leicht antraben?
  • Überquert dein Pferd mit dir im Sattel kleine Hindernisse oder z.B. einen Bach oder eine Pfütze?

 

Impulsion

Impulsion beinhaltet emotionale Versammlung. Pferde haben in der Regel nur “zu viel vorwärts”, wenn sie emotional unausgeglichen sind. Pferde hingegen, die nicht flüssig vorwärts gehen, sind entweder emotional blockiert, verwirrt oder unmotiviert (wir gehen von einem physisch gesunden Pferd aus). Leider wird ein Mangel an Motivation oft mit Sturheit verwechselt. Zusätzlich kann ein Pferd, das ständig mit Hilfen überflutet wird (Micro Managing) und keine Verantwortung übernehmen muss auch abstumpfen – unser Einfluss und das Resultat liegt also in unserer Verantwortung! Es geht um unsere Selbstkontrolle, Leadership, Kommunikation und Verständnis der Pferdepsychologie. Die Mehrzahl der Reiter empfindet ihr Pferd als entweder zu lasch oder zu eilig.

Einige kleine Tests zur Impulsion:

  • Kannst du aus allen Gangarten die Zügel hinlegen und dein Pferd verlangsamen oder stoppen?
  • Kannst du dein Pferd ohne Kicken, Sporen oder Gerte/Stick auf beiden Händen angaloppieren?
  • Bist du versucht dein Pferd davon abzuhalten, langsamer zu werden (treiben…)?
  • Wird dein Pferd ohne dein Zutun/Eingreifen ungewollt schneller?

Aufbau emotionaler Versammlung im Galopp – La Donna 2008

 

Flexion(Biegung, Flexibilität)

Dies ist die physische Versammlung, wenn ein Pferd bereit ist, sich jederzeit entsprechend unseren Vorgaben zu bewegen oder einen Bewegungsablauf zu verändern. Rapport, Respekt und Impulsion müssen genügend greifen. Das Gegenteil von Flexion nennt man auf Englisch “Brace” (negative Anspannung). Beim Pferd kann es sich in Nervosität, Platzangst, Widerstand z.B. gegenüber dem Zügelkontakt, Zähneknirschen und vielem mehr äußern. Pat sagt jeweils “A brace in the body is a brace in the mind” und vorausgesetzt, das Pferd ist physisch fit und hat einen passenden Sattel/Ausrüstung, ist das wohl wahr! Suche in der “Formel”, woher die physische Anspannung oder Widerstand kommen!

Als Veranschaulichung eine Basisübung aus dem Level 1 (Parelli):

Wenn sich unser Pferd auf einer “positiven Grundlage” bewegt, ist auch sein Körper überhaupt erst in der Lage und “willig”, sich entsprechend zu verhalten.

Wenn du dein Pferd im Level 1 die laterale Biegung am Boden und im Sattel “lehrst”, hast du dir schon mal überlegt, in welcher Situation ein Pferd/Fluchttier in der Natur unter Fremdeinwirkung sonst in diese Position kommt? Nur kurz vor seinem Tod, wenn es vom Raubtier angegriffen wird, das es so zu Fall bringen will! Dies ist auch in den Genen unserer domestizierten Pferden (unterschiedlich tief) verankert.

Laterale Biegung gehört zum Element “Flexion” und nur wenn dir dein Pferd vertraut und es sich sicher fühlt (“Versammlung des Herzens”), wenn es dich versteht und das Porcupine Game akzeptiert (Versammlung des Geistes), wird es sich weich biegen, ohne – im Falle dieser Übung – die Füße zu bewegen (Versammlung der Emotionen), und dir eine der wichtigsten Grundlagen für eure Sicherheit schenken (die laterale Biegung aus allen Gangarten zu lehren ist deine Notbremse). Es ist wichtig zu verstehen, dass es selten um die einzelne Übung geht, sondern um die Aspekte der ganzen “Formel”. Da wir Menschen oft dazu neigen, resultat-orientiert und direkt zu denken, verpassen wir das manchmal…

Einige weiteren kleinen Tests zum Thema:

  • Biegt sich dein Pferd leicht nach rechts und nach links?
  • Schaut dein Pferd beim Circling Game nach außen oder innen?
  • Ist der Kopf deines Pferdes zu weit oben und hat es einen durchgedrückten Rücken?
  • Rollt sich dein Pferd beim Reiten auf und geht hinter dem Zügel?

Wenn du nun jeweils mit deinem Pferd spielst – egal ob am Boden oder im Sattel – versuche zu evaluieren, in welchem Element dieser Formel ihr euch bewegt, und welche Strategien, Übungen und Verhaltensweisen deinerseits für dein Pferd nun wichtig sind.

Wie wir uns die verschiedenen Elemente dieser Formel erarbeiten können, lehrt dich das Parelli Programm Schritt für Schritt und ich freue mich, wenn ich selber jeden Tag mehr dazulernen und auch dich dabei begleiten darf.

Es braucht dazu Geduld, Disziplin, gute Planung, Beobachtungsgabe, Gefühl,  Love – Leadership im Gleichgewicht und die Einstellung, dass wir es sind, die vom Pferd lernen!